Ein Umzug ist für viele Menschen mit großen organisatorischen, logistischen und vor allem finanziellen Herausforderungen verbunden. Besonders schwierig wird es jedoch, wenn ein Umzug nicht aus freien Stücken, sondern aus zwingenden gesundheitlichen Gründen erfolgen muss.
In Deutschland steht die Berufsgenossenschaft (BG) als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung Betroffenen bei, die aufgrund eines Arbeitsunfalls, Wegeunfalls oder einer Berufskrankheit ihren bisherigen Wohnraum nicht mehr nutzen können. In solchen Fällen ist es möglich, dass die Berufsgenossenschaft einen Teil oder sogar die gesamten Kosten eines Umzugs übernimmt.
Die Berufsgenossenschaften sind Teil der gesetzlichen Unfallversicherung in Deutschland. Sie sind zuständig für Arbeits- und Wegeunfälle sowie für anerkannte Berufskrankheiten. Ihr Ziel ist es, gesundheitliche Rehabilitation, Teilhabe am Arbeitsleben und im Alltag sicherzustellen.
Im Mittelpunkt steht dabei das umfassende Prinzip „Rehabilitation vor Rente“:
Das bedeutet, die BG versucht nach Möglichkeit, die Folgen eines Unfalls oder einer Krankheit zu mindern und die Lebensqualität der Betroffenen durch heil- und unterstützende Maßnahmen zu verbessern, bevor eine reine Rentenzahlung in Betracht kommt.
Eine dieser Unterstützungen ist die sogenannte Wohnungshilfe, die auch Umzüge umfasst.
Die Wohnungshilfe ist in § 41 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) i. V. m. dem Siebten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) geregelt. Sie erlaubt der Berufsgenossenschaft, die Kosten für den Umzug, Umbauten oder behindertengerechte Anpassungen zu übernehmen, wenn diese notwendig sind, um die durch den Versicherungsfall beeinträchtigte Person im Alltag zu unterstützen.
Hierbei geht es nicht um freiwillige oder „komfortorientierte“ Umzüge, sondern ausschließlich um medizinisch notwendige und funktional begründete Maßnahmen.
Während die Pflegekasse Zuschüsse bei altersbedingten oder allgemeinen gesundheitlichen Einschränkungen gewähren kann (z. B. pauschal bis zu 4.180 € für Wohnraumanpassungen), greift die Berufsgenossenschaft nur dann, wenn ein direkter Zusammenhang mit einem anerkannten Versicherungsfall vorliegt.
Das bedeutet:
Ein Anspruch besteht nur, wenn einer der folgenden Fälle vorliegt:
Diese Fälle müssen bei der Berufsgenossenschaft gemeldet und anerkannt sein.
Der Umzug wird nur übernommen, wenn die gesundheitlichen Einschränkungen langfristig bestehen. Kurze Genesungsphasen rechtfertigen keine Kostenübernahme. Beispiel: Ein gebrochenes Bein ohne bleibende Schäden begründet keinen Anspruch.
Typische dauerhafte Beeinträchtigungen:
Die aktuelle Wohnung muss nicht mehr sinnvoll nutzbar sein. Gründe können sein:
Wichtig zu wissen: Die Leistungen der Berufsgenossenschaft sind komplett einkommensunabhängig. Die finanzielle Lage des Antragstellers spielt keine Rolle. Entscheidend ist allein die medizinisch belegte Notwendigkeit des Umzugs.
Folgende Posten werden übernommen:
Oft ist nicht nur der Umzug selbst, sondern auch ein Umbau notwendig. Leistungen können sein:
Manchmal werden auch Möbel und Einrichtungsgegenstände angepasst oder neu angeschafft (z. B. höhenverstellbare Betten, rollstuhlgerechte Schränke).
Sollte sich der Gesundheitszustand im Laufe der Zeit verändern, ist auch eine erneute Förderung möglich. Beispiel: Ein Rollstuhlfahrer, der zunächst mit Rampen auskommt, später aber einen Treppenlift benötigt.
Schritte der Antragstellung
Benötigte Unterlagen
Dauer und Bearbeitungszeit
Bearbeitung: 4 bis 8 Wochen. Dauert länger, wenn Gutachten eingeholt werden müssen oder Unterlagen fehlen.
Ablehnung und Widerspruch
Wird der Antrag abgelehnt, besteht die Möglichkeit zum Widerspruch (Frist: i. d. R. 1 Monat). Hilfreich ist die Unterstützung durch Anwälte oder Sozialverbände (z. B. VdK oder SoVD).
Keine pauschalen Obergrenzen
Im Gegensatz zur Pflegekasse gibt es bei der Berufsgenossenschaft keine festen Höchstbeträge (z. B. 4.000 €). Die Kosten werden individuell geprüft und bei Notwendigkeit auch vollständig übernommen.
Prinzip Sparsamkeit und Zweckmäßigkeit
Die BG achtet auf wirtschaftlich sinnvolle Lösungen. Luxusmaßnahmen oder reine Schönheitsreparaturen werden nicht übernommen.
Beispiele für Übernahmen
Bei Großprojekten erfolgen oft Gutachten und Einzelfallentscheidungen.
Wenn ein anerkannter Arbeitsunfall, Wegeunfall oder eine Berufskrankheit eine dauerhafte Einschränkung verursacht, die einen Wohnungswechsel notwendig macht.
Nein, völlig unabhängig vom Einkommen.
Transport, Maklergebühren, Kautionen, behindertengerechte Anpassungen, teilweise doppelte Miete.
Nein, keine pauschale Obergrenze. Alles wird individuell nach Notwendigkeit geprüft.
Schriftlich bei der zuständigen BG mit ärztlichen Nachweisen, Unfallbericht und Kostenvoranschlägen.
Innerhalb eines Monats Widerspruch einlegen, ggf. mit Unterstützung durch Rechtsberatung oder Sozialverbände.
Ja, bei Verschlechterung der gesundheitlichen Situation ist ein erneuter Antrag möglich.
Sie können mit dem Umzug beginnen. Wichtig: Rechnungen und Belege sammeln und der BG vorlegen.